Otto Ernst's (1862 - 1926) alter ego Asmus-Semper kan niet met Spinoza uit de voeten

Otto Ernst Schmidt (later noemde hij zich alleen nog Otto Ernst) werd geboren als zoon van een sigarenmakersfamilie en groeide in armelijke omstandigheden op. Zijn onderwijzers herkenden zijn leergierigheid en talenten en stimuleerden hem door te leren, waardoor hij zichzelf kon opwerken tot het onderwijzersberoep. In 1883 werd hij leerkracht aan diverse Hamburgse scholen. In 1887 huwde hij zijn collega Helmy Scharge met wie hij vijf kinderen kreeg. In 1891 stichtte hij de Hamburgse "Literarische Gesellschaft" en in 1893 gaf hij samen met Leo Berg en Constantin Brunner het literatuurkritische tijdschrift “Der Zuschauer” uit. Naast zijn leraarschap schreef hij en trad hij op als voordrachtskunstenaar. In 1901 durfde hij het aan alleen nog van de kunst te leven. Hij stierf op 63-jarige leeftijd.

Zijn autobiografische »Asmus-Semper«-trilogie zou gelden als een goede weergave van het leven in het Ottensen van eind 19e eeuw. Het eerste deel, „Asmus Sempers Jugendland. Roman einer Kindheit“ verscheen in 1904, in 1908 volgde „Semper der Jüngling“ en in 1916 „Semper der Mann. Eine Künstler- und Kämpfergeschichte.” [van wiki]

Volgens Jethro Bithell, (Modern German Literature 1880-1950) gaf hij ermee de aanstoot tot een wederopleving van de Bildungsroman. Het gaat over een held die zich uit de arbeidersklasse opwerkt tot een onderwijzer, een beroep dat in die tijd geassocieerd werd met cultuur en invloed. [hier]

Wellicht had zijn connectie met Constantin Brunner hem zich enigszins met Spinoza bezig doen houden? De hoofdpersoon van zijn boek vindt bepaald geen vreugde in het lezen van Spinoza. Het XXVe hoofdstuk geeft daarover een uitvoerig gedeelte dat voor mij aanleiding werd voor dit blog en dat ik hier in z’n geheel citeer [van hier update hier]. Zoals de hoofdpersoon, zo lijkt het, zich net zo goed niet met Spinoza had kunnen bezighouden, kan ook de lezer het nalaten. Het hoofdstuk draagt immers als motto:

                                             XXV. Kapitel

    “Ein schönes Kapitel, weil man es ruhig überschlagen kann.”

 

Er las also Spinozas Theologisch-politischen Traktat und hatte wenig Freude daran. Freilich war das nicht durchaus die Schuld Spinozas. Seine Bibelkritik, seine Forderung der Denkfreiheit und der Unterwerfung der Kirche unter den Staat waren veraltet oder waren Selbstverständlichkeiten geworden; aber im 17. Jahrhundert waren es unerhörte Kühnheiten gewesen, und der Persönlichkeit des Denkers gaben sie, wie sein ganzes Leben, ihre heldenhafte Größe. Daß er erst den religiösen Dogmatismus zerstörte und ihm dann (ähnlich wie Kant) wieder weit entgegenkam, mochte bei so viel Mut und Lauterkeit mehr als verzeihlich sein, und herrlich war gewiß der Gedanke, daß der Staat, der die Denkfreiheit unterdrückt, sich selbst zerstört, daß der Streit der Meinungen ungefährlich ist, so lange er frei ist. Aber abgestoßen fühlte sich Asmus durch den starren Dogmatismus, mit dem nun wieder der Staat zu einem vollkommenen Götzen, zu einem allgewaltigen Moloch und der Gehorsam gegen Staat und Gott zu einem wahren Kadavergehorsam zurechtspintisiert wurde. Und als Asmus nun gar zu der »Ethik« überging, da erlebte er eine Enttäuschung, die seine Stimmung noch tiefer herabdrückte. Er hatte von diesem gewaltigen Grübler eine unendliche Bereicherung seiner Gedankenwelt, ja vielleicht eine vollkommene Umwälzung erwartet; aber in diesem scholastisch-abstrakten Lehrgebäude erkannte er kein Bild, ja kaum eine Berührung dessen, was »Leben« heißt. Dieser Gottbegriff war so leer, wie der Begriff »etwas« oder »alles«; dieses System war ein Schlauch ohne Wein, ein vorzüglicher Schlauch, gewiß, aber ohne Inhalt. Asmus hing keinem bestimmten Monismus an; aber sein Denken wurde vom monistischen Triebe, von der urgrundtiefen Sehnsucht nach Einheit regiert wie das Denken aller Menschen. Dies System sollte und wollte ein Monismus sein und wimmelte von Dualismen, ja von Pluralismen. Hieß das den furchtbar rätselhaften Dualismus von Bewegung und Denken aufheben, wenn man sie einfach nebeneinander in die leere Schachtel der »Substanz« packte? War damit der ewig klaffende Abgrund zwischen Sinnenwelt und Geisteswelt überbrückt? Hieß das nicht, zwei ungleichartige Größen addieren? War es nicht vollendeter Dualismus, wenn man der ewigen und unwandelbaren Substanz die veränderlichen und vergänglichen Modi anhängte, die Natur in eine wirkende und bewirkte spaltete? Die ewige Ordnung der Dinge und die ewige Ordnung der Ideen sollten identisch sein? War das nicht eine willkürlich erfundene Fabel? Das starre Gestein dieser Lehre hatte rein erdichtete Einsprengungen (wie z. B. die undenkbare »Liebe Gottes zu sich selbst«); aber es waren Erdichtungen eines Mathematikers, den Hamann mit Recht einen »geometrischen Sittenlehrer« genannt hatte. Gott liebte sich selbst! Das war nicht weniger naiv als der biblische Gott, der alles, was er geschaffen hatte, gut fand. Woher kam auf einmal diese Menschlichkeit in den eisernen Substanzbegriff? Wie sollte andrerseits das Menschlein, dies unentrinnbar eingeklemmte Gliedlein in der Kausalkette alles Seienden, dazu kommen, den ganzen Kausalverband, das All der Welt, Gott, die Ursache alles Seienden, voll zu erkennen? Wie sollte, so hatte Asmus es ein andresmal formuliert, der kleine Fußsoldat Mensch den Plan kennen, nach dem der »Herr der Heerscharen« die Weltenschlacht zu schlagen beliebt? Wo blieb auch die menschliche Freiheit in einem ewig unverrückbaren Kausalnexus? Das Ganze des Seins war nichts als Ursache und Wirkung und kannte nach Spinoza keine Zwecke. Auch das Denken war ihm nur eine wirkende Ursache, ein Mechanismus ohne Zweck. Aber ist nicht alles Denken ein Werden, ein Fortschreiten vom unangemessenen Gedanken zum angemessenen? Und sollen wir nicht nach Spinoza die unwandelbare Natur erkennen lernen, und ist dann nicht die Wahrheit der Zweck des Denkens? Eine Lehre, die das Werden und den Zweck leugnet, erschien Asmussen tot; sie hinterließ ihm nur den steinernen Kerker der Prädestination. Der Philosoph sprach doch auch in seinem Theologisch-politischen Traktat von einer Erziehung des Menschengeschlechts durch Offenbarung, geschriebenes Gesetz, geschichtliche Ereignisse – ist denn Erziehung nicht ein zweckvolles Werden? Und was war es mit dieser vertrackten Zweiheit von Substanz und Modis, von unwandelbarer und wandelbarer Natur? Wenn die Welt der Erscheinungen, die Modi, vergänglich sind, ist dann nicht Wechsel und Werden in der Natur? Ist Gott, der in allem ist, auch in den Modis? Und sollte jener Wechsel der Erscheinungen dann sinnlos sein? Woher käme auch plötzlich das Nichtnotwendige in den eisernen Ring des Seins? Wie käme der Zufall in Gott? Woher kamen und wohin gehörten die »inadäquaten Ideen« unserer Imagination? Gehörten sie auch zu Gott, zur ewigen Substanz? Oder wohin gehörten sie sonst? So wuselten in Asmussens Gehirne die Fragezeichen wild durcheinander. Und endlich kam er zu dem Ergebnis: Was Spinoza gab, das war gar nicht Erkenntnis, sondern ein von vornherein fertiges vermeintliches Wissen. Seine Lehre begann damit, zu sagen, was Gott, was die Substanz, was die Natur sei, und aus dieser vermeintlichen Wahrheit spann er alles andere heraus wie die Spinne den Faden aus ihrem eigenen Sekret. Kein Wunder, daß er nichts Unerkennbares anerkannte, wenn ihm das Erkenntnis war. Ohne Zweifel war dies Lehrgebäude der kühnste und genialste Versuch, den die Deduktion jemals unternommen hatte, und in sich war es von imponierender Klarheit und Festigkeit. Asmus aber war ein leidenschaftlicher Freund der Klarheit nicht im luftleeren, sondern im körpererfüllten Raume. Diese Lehre gewährte ihm nur das Vergnügen einer Mathematik, nicht den Segen einer Philosophie. Die Entdeckung eines Bakteriums war ihm – nicht aus Nützlichkeitsgründen, sondern um der reinen Erkenntnis willen – unendlich viel mehr wert als die ganze Lehre Benedikt Spinozas. Er war bis in die Wurzel seines Wesens konkret und induktiv; er wollte zur Erkenntnis emporsteigen, vom festen Boden der Wirklichkeit aus, hinauf freilich bis in die höchsten Höhen einer echten Denkersehnsucht. Er hätte nie der Metaphysik entraten mögen; sie war seiner deutschen Seele Bedürfnis; er wollte auch keinem Menschen verwehren, einen Turm von Babel bis in die höchsten Himmel Gottes zu bauen; aber daß man diesen Bau mit dem Dach beginnen könne, das wollte ihm noch immer nicht einleuchten.

Rein und vollkommen stimmte Asmus nur mit dem Endziel jener Lehre überein: Ein selbstloses Leben in der Erkenntnis Gottes, in der Liebe zu ihm und zu den Menschen – und der wunsch- und leidenschaftslos Einsiedler, der diesem Ideal aufstellte, hatte es ja – als Einsiedler – verwirklichen können. Daß aber jemand durch seine Lehre zu diesem gottseligen Glück gelangen werde, das erschien äußerst zweifelhaft. Freilich, daß es noch im 19. Jahrhundert wenig verschlug, wenn man die Menschen zur Liebe gegeneinander ermahnte, das war nicht Spinozas Schuld. Auch Asmus belog sich nicht dahin, daß er die allgemeine Nächstenliebe und die vollkommene Selbstlosigkeit kenne. Erst mußte etwas anderes unter den Menschen allgemein werden: das Recht. Wenn die Menschen einander ihr Recht gönnten, dann war Hoffnung, daß auch die Liebe kommen werde, die mehr gibt als das Recht.

Op DBNL een kritiek op dit boek door Josef Cohen in Den Gulden Winckel. Jaargang 15. Hollandia-Drukkerij, Baarn 1916